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Business and Biodiversity: Rückblick Kaminabend 22.05.2017

Rückblick Kaminabend 22.05.2017

„Unsere Versorgung mit Wasser – eine Ökosystemleistung auf dem Prüfstand“

Zusammenfassung der 9. Veranstaltung in der Reihe „Diskussionsforum Ökosystemleistungen – Chancen und Risiken einer ökonomischen Bewertung von Natur“
22. Mai 2017, Frankfurt/Main

Beim neunten „Diskussionsforum Ökosystemleistungen“ am 22. Mai 2017 in Frankfurt/Main kamen rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Thema „Unsere Versorgung mit Wasser – eine Ökosystemleistung auf dem Prüfstand“ zusammen. Nachhaltigkeitsziel 6 der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) fordert, die "Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle (zu) gewährleisten". Das ist in vielen Ländern eine existenzielle Herausforderung. Doch auch in Deutschland können wir uns keineswegs beruhigt zurücklehnen. 

Nach einer kurzen Einführung durch Dr. Matthias Jenny (Direktor Palmengarten Frankfurt) und Dr. Bruno Streit (Sprecher BioFrankfurt – Das Netzwerk für Biodiversität e.V.) diskutierten Dirk Osiek (Fachgebiet Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden, Umweltbundesamt – UBA) und Nadine Steinbach (Bereichsleiterin Umweltpolitik Wasser/Abwasser beim Verband kommunaler Unternehmen – VKU) gemeinsam mit dem Publikum über eine nachhaltige Wasserversorgung in Deutschland. Der Abend wurde fachkundig moderiert durch den Umweltökonomen Prof. Dr. Bernd Hansjürgens (UFZ).

Dirk Osiek gab einen vorläufigen Einblick in die UBA-Studie zu "Quantifizierung der landwirtschaftlich verursachten Kosten zur Sicherung der Trinkwasserbereitstellung". Der Fokus der Untersuchung lag auf der (Primär-)Datenerhebung von Kosten durch Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft. Die Studie schlüsselt Kosten sowohl für reaktive Maßnahmen (insb. technische Aufbereitung) als auch für präventive Maßnahmen der Wasserversorger, insb. Payments for Ecosystem Services, auf. Zudem wurden die Erkenntnisse aufgegriffen und ein Konzept sowie erste Ergebnisse einer Generalisierung der Kosten für Gesamtdeutschland vorgestellt.

Die Generalisierung zeigt, welche Konsequenzen es für die Trinkwasserkunden hätte, wenn Nitrateinträge oberhalb des Grundwasserschwellenwertes von 50 Milligramm je Liter nicht bald sinken. Die von den Gutachtern berechneten Mehrkosten betreffen nur die für die Nitrataufbereitung im Wasserwerk erforderlichen zusätzlichen Kosten, die anfallen werden, um den Grenzwert der Trinkwasserverordnung einzuhalten, wenn keine Ausweichmöglichkeiten auf andere saubere Quellen mehr bestehen. Und sie bestätige, so Osiek, dass Vorsorgemaßnahmen insgesamt gesehen deutlich günstiger sind als Reparaturmaßnahmen. Deshalb sollten die Probleme in den Belastungsgebieten schnell und konsequent angegangen werden. Für die genauen Zahlen verwies Osiek auf die ausstehende Studie, die mittlerweile, wenige Wochen nach der Veranstaltung, vom UBA veröffentlicht wurde.

Nadine Steinbach sprach über "Das neue Düngepaket – Ein erster Schritt zur Reduktion der Nitrateinträge!“. Mit Blick auf den Trinkwasserschutz sei es dringend erforderlich, das Verursacherprinzip konsequent umzusetzen. Die Grundwasserdatenbank Nitrat zeige deutlich, dass es in einigen Regionen dringenden Handlungsbedarf gibt und dass sich dort etwas an der land-wirtschaftlichen Praxis ändern muss. Die neue Regulierung bewertete Steinbach als Startschuss für die Reduktion der Nitrateinträge, wobei weitere Schritte folgen müssten. Das Düngepaket spiegle wider, was unter den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen konsensfähig gewesen sei. Gerade die neuen Stoffstrombilanzen ab 2018, zunächst nur für viehintensive Betriebe und ab 2023 für alle größeren Betriebe, seien ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um mehr Transparenz im System zu schaffen. Gleiches gelte für die Maßnahmen in belasteten Gebieten. 

Die Novelle der Düngeverordnung gehört gemeinsam mit dem geänderten Düngegesetz zum so genannten Düngepaket. Mit diesem setzt Deutschland die EG-Nitratrichtlinie um. Steinbach machte sich stark dafür, aufeinander zuzugehen, um neue Allianzen aus Wasserwirtschaft, Naturschutz und Landwirtschaft zu schmieden. Sie zeigte in diesem Zusammenhang auch auf, dass die Wasserwirtschaft ein wichtiger Botschafter für das Thema biologische Vielfalt sein könne und wie sich der VKU bereits engagiert.

Barbara Jax (Nachhaltige Entwicklung, Bionade GmbH. Radeberger Gruppe KG), die zur „Inwertsetzung der Ressource Wasser in der Getränkeindustrie - Praxisbeispiel Bionade“ sprechen wollte, konnte leider kurzfristig nicht teilnehmen. Heiner Rupsch, 1. Vorsitzender des Trinkwasserwald e. V., stellte als spontanen Impuls den Ansatz von Trinkwasserwald vor – ein Projekt zum Thema Waldumbau, in dem sich auch Bionade engagiert.

Die anschließende Diskussion kreiste um verschiedene Themen. Schlaglichtartig einige Beispiele für Positionen und Thesen, die eingebracht wurden:

  • Die in einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung günstigsten Lösungen für eine Sicherstellung von Ökosystemleistungen lassen sich aufgrund vielfältiger Partikularinteressen in vielen Fällen nicht umsetzen. So sei es vor Ort häufig die praktikabelste Lösung, wenn Wasserversorger Flächen aufkaufen und pachten oder den Landwirten vor Ort einen finanziellen Ausgleich für einen Verzicht z. B. auf Düngung zahlen, obgleich so eigentlich das Verursacherprinzip verletzt werde.
  • Es gelte ganz grundsätzlich einen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten, weg vom Fokus auf reine Versorgungsleistungen, hin zur stärkeren Inwertsetzung regulierender Leistungen und entsprechende Integration in Entscheidungsprozesse und finanzielle Anreizsysteme.
  • Verursacherbezogene Maßnahmen und ein starkes Ordnungsrecht seien unabdingbar. Allerdings funktioniere das Ordnungsrecht durch zahlreiche Vollzugsdefizite schon jetzt nicht. Auch mehr ökonomische Anreize und in der Agrarförderung eine klare Stärkung des Prinzips „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ seien daher erfolgsentscheidend.
  • Kritisch diskutiert wurde als Maximalforderung die Abschaffung der 1. Säule der EU-Agrarförderung. Während einige diesen grundsätzlichen Systemwechsel als unabdingbar erachteten, hielten andere die Durchsetzbarkeit dieser Forderung für vollkommen unrealistisches Wunschdenken.
  • Die industrielle Erzeugung von Fleisch und anderen tierischen Produkten wurde als großes singuläres Problem hervorgehoben – verbunden mit der Erkenntnis, dass Politik und Ökonomie aufgrund entsprechender Erfahrungen den Eingriff in die „Konsumentensouveränität“ scheuen.
  • Gewarnt wird davor, falsche Feindbilder aufzubauen. Es brauche mehr Miteinander anstatt Gegeneinander. Die Landwirte und Landwirtinnen verhielten sich unter den gegebenen Bedingungen schlicht und einfach systemkonform. Es gelte den Blick auf die eigentlichen Ursachen der Probleme zu richten: Der Treiber hinter der heutigen Ausprägung der industriellen Landwirtschaft seien Lebensstile und Konsumverhalten.

Moderator Bernd Hansjürgens entließ alle Teilnehmenden in den geselligen Ausklang des Abends, indem er seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass sich mit dem Konzept der Ökosystemleistungen neue Verbündete für den Umwelt- und Naturschutz finden lassen. 


Partnerschaftlich initiiert von: Deutsche Umwelthilfe, 'Biodiversity in Good Company' Initiative e. V., Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ─ UFZ.

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