Menü

Business and Biodiversity: Rückblick Kaminabend 17.10.16

Rückblick Kaminabend 17.10.16

Rückschau 17.10.2016: "Diskussionsforum Ökosystemleistungen" zum Thema internationale Verflechtungen

Grenzen überschreitende Verantwortung: Ökosystemleistungen und internationale Verflechtungen 

Zusammenfassung des 7. Kaminabends in der Reihe „Diskussionsforum Ökosystemleistungen“ am Montag, 17. Oktober 2016, 18:00 – 21:00 Uhr, in den Räumen der Deutschen Umwelthilfe e. V., Berlin. 

Beim siebten „Diskussionsforum Ökosystemleistungen“ in Berlin sprachen am 17. Oktober 2016 Expert*innen in Berlin über globale Handelsströme und die Konsequenzen für grenzüberschreitende Ökosystemleistungen. Mit den rund 50 Gästen diskutierten Prof. Dr. Helmut Haberl, Institutsleiter „Soziale Ökologie“, Alpen-Adria-Universität (Wien), Tobias Reichert, Teamleiter „Welternährung, Landnutzung und Handel“, Germanwatch e.V., und Dr. Almuth Ostermeyer-Schlöder, Referatsleiterin „Internationale Angelegenheiten der biologischen Vielfalt“, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Moderiert wurde der Abend von Prof. Dr. Aletta Bonn, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ/Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig.

Es gibt aktuell beachtliche Anstrengungen und zunehmende politische Verpflichtungen, die Leistungen von Ökosystemen genauer zu verstehen, zu erfassen und zu bewerten. Bestandsaufnahmen allerorten – jedoch oft kurz gesprungen in der Logik regionaler und nationaler Grenzen. Handelsbeziehungen und Politiken vernetzen jedoch globale Ströme von Ökosystemleistungen. Einige Staaten profitieren in besonderer Weise von Biodiversität und Ökosystemleistungen im Ausland. Und gerade die Länder des globalen Nordens beeinflussen mit ihrer Außenpolitik, ihrem Handel und ihren Konsummustern die natürlichen Ressourcen in anderen Teilen der Welt – mit positiven und negativen Auswirkungen. Daher stellt sich die Frage: Wie steht es um Leistungsbilanzen aus internationaler Perspektive und wie können sie beeinflusst werden? Einen guten Anlass bietet die im Dezember bevorstehende 13. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in Mexiko. 

Prof. Dr. Helmut Haberl von der Alpen-Adria-Universität gab in seinem Einstiegsreferat einen Einblick in Ansätze aus der Global-Change-Forschung. Sogenannte Teleconnections and Telecouplings bezeichnen Verbindungen zwischen Landnutzungssystemen an verschiedenen Orten. Der Handel von landbasierten Gütern sei, so Haberl, einer der entscheidenden Faktoren, wenn es um „Fernwirkungen“ von Landnutzungssystemen gehe. Die Muster der Landnutzungsintensität hingen ganz maßgeblich von den globalen Handelsströmen ab. Unsere heutige Biosphäre sei kein natürlicher Prozess mehr, sondern vielmehr ein sozial-ökologischer determinierter, etwa hinsichtlich der Verweildauer von Kohlenstoff in Ökosystemen. Besorgnis erregend sei, dass der globale Handel mit Nutzpflanzen und Biomasse – und somit auch die Fernwirkungen – schneller als die Wirtschaft insgesamt wüchsen mit entsprechenden Auswirkungen auf Biodiversität und Klima. Einerseits sei mittlerweile eine detaillierte Analyse dieser Verflechtungen möglich, andererseits bleibe nach wie vor eine Reihe von Methodenproblemen bei der Abbildung von Handelsströmen und Lieferketten. Eine der Limitationen sei z. B. der verengte Fokus auf die bereitstellenden Ökosystemleistungen (Biomasse) –andere Ökosystemleistungen seien viel schlechter erfasst. Auch bei den Wirkungen auf die Biodiversität (Pressure-State-Response-Relationen) gebe es große Wissenslücken. Weitere Infos in der Präsentation von Herrn Prof. Haberl sowie unter www.aau.at/sec.

Tobias Reichert von Germanwatch steuerte anschaulich praktische Beispiele bei: Er skizzierte die Verbindung weit entfernter Landnutzungssysteme am Beispiel des Sojahandels und ging dabei auf die Situation verschiedener lateinamerikanischer Länder (Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay) ein. Zwei Drittel aller Agrarimporte der EU seien Futtermittel, davon wiederum ein Drittel Soja. Die Expansion der weltweiten Ackerfläche korreliere stark mit der Sojaproduktion, die geprägt sei von Monokulturen bzw. einer Bewirtschaftungsweise ohne nennenswerte Fruchtfolgen. Reichert machte klar, dass der Verlust von Biodiversität und Ökosystemleistungen nicht nur durch den Anbau in den Produktionsländern zu beklagen sei, sondern auch dort, wo das Soja in Deutschland an Schweine verfüttert wird. Er verwies auf die immensen Probleme durch Stickstoffüberschüsse in Regionen der Intensivtierhaltung und die Schäden besonders für das Grundwasser. So hänge die Grundwasserbelastung in Norddeutschland mit dem Sojaanbau in Südamerika zusammen – ein „Telecoupling“. Reichert betonte, er sehe weniger Erkenntnis- denn Umsetzungsprobleme angesichts von massiven Lobbyinteressen. Kern des Problems sei die Intensivtierhaltung in der bekannten Form . Auch wünsche er sich, dass in der Wiederbelebung der Diskussion zwischen EU und Mercosur die gemeinsame Verantwortung für die biologische Vielfalt thematisiert werde.

Der Kaminabend bot auch willkommene Gelegenheit, einen Ausblick auf die 13. Vertragsstaatenkonferenz (COP 13) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD), die im Dezember in Mexiko stattfindet, zu geben. Dies tat Frau Dr. Almuth Ostermeyer-Schlöder vom Bundesumweltministerium. Die mexikanischen Gastgeber hätten die Konferenz unter das Thema „Mainstreaming Biodiversity for Well-Being“ gestellt, wobei die vier Sektoren Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Tourismus besonders in den Blick genommen würden. Schlussendlich jedoch müsse es, so Ostermeyer-Schlöder, insgesamt um die beschleunigte Umsetzung des Strategischen Plans mit seinem Zieldatum 2020 in allen Bereichen gehen. Die bisherigen im Vorfeld erarbeiteten Beschlussvorschläge enthielten noch sehr viele offene Punkte (Text in eckigen Klammern). Es sei sehr herausfordernd, zu einem wirksamen Ergebnis zu kommen, zumal die CBD zwar ein verbindliches Übereinkommen mit beachtlichen 196 Vertragsparteien sei, aber keinen Sanktionsmechanismus kenne. Die CBD betrachte Biodiversität und Ökosystemleistungen im Zusammenhang. Im Kontext der Finanzierung und Ressourcenmobilisierung spielten Ansätze für eine Inwertsetzung von Natur eine zunehmende Rolle, die operative Umsetzung indes bleibe schwierig. Dem sog. High-Level-Segment der Staats- und Regierungschef*innen werde in diesem Jahr eine „Cancún Declaration“ zum Beschluss vorgelegt www.cbd.int/cop/cop-13/hls/CD/Draft-Cancun-Declaration-July2016-en.pdf . Diese wiederhole im Wesentlichen bereits in der Vergangenheit Beschlossenes und unterstreiche noch einmal die Bedeutung von Ansätzen zur Inwertsetzung, z. B. durch Naturkapitalbilanzierung (natural capital accounting).

Die anschließende Diskussion kreiste um verschiedene Themen. Herausgestellt wurde unter anderem:

  • Es fehle zwar an vielen Stellen gut aufbereitetes Entscheidungswissen, aber dieser Umstand allein erkläre nicht die mangelnden Erfolge bei der Bewahrung natürlicher Lebensgrundlagen. Diese seien vielmehr zurückzuführen auf: Partikularinteressen, Fehlsteuerungen und Beharrungskräfte durch gewachsene Besitzstände, (vermeintliche) Systemzwänge, falsche Subventionspolitik, eine mangelnde Inwertsetzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen sowie in der Folge fehlende alternative Geschäftsmodelle bzw. Mechanismen für eine Lastenteilung (Finanzierungsmodelle, insb. im Verhältnis von Industriestaaten zu Entwicklungs-/Schwellenländern).
  • Wenn alle CBD-Vertragsparteien auf nationaler Ebene ihre bisher eingegangenen Verpflichtungen durch belastbare nationale Strategien und Programme erfüllen würden, ergäben sich daraus au-tomatisch Lösungen für die negative Fernwirkungen (z. B. bezogen auf Landnutzungsmuster).
  • Entscheidende Weichen müssten in der Handelspolitik gestellt werden. Die CBD befasse sich in ihrem multilateralen Rahmen nur unzureichend mit solchen Fragestellungen. „Mainstreaming“ bedeute auch, biologische Vielfalt bzw. den Ökosystemleistungsansatz in die relevanten Sektorpolitiken zu integrieren (Agrar-, Energie- und Klima-, Gewässer-, Siedlungs- und Verkehrs-, Handels- und Verbraucherschutzpolitik …).
  • Eine Reduktion des Ressourceneinsatzes sei der Schlüssel zu vielen Problemen, eine reine Verzichtslogik und -rhetorik jedoch bislang nur in einigen Bereichen erfolgreich (z. B. teilweise im Bereich gesunder Ernährung, wo der Verzicht auf ein „Zuviel“ als gut anerkannt werde). 

Partnerschaftlich initiiert von: Deutsche Umwelthilfe, 'Biodiversity in Good Company' Initiative e. V., Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ─ UFZ.

Zum Seitenanfang