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Biodiversität und Finanzen aus Kapitalmarktsicht Thema auf Arbeitstreffen von 'Biodiversity in Good Company'

Aktuelles

Biodiversität und Finanzmärkte:

Biodiversität und Finanzen aus Kapitalmarktsicht Thema auf Arbeitstreffen von 'Biodiversity in Good Company'

Susanne Bergius

Das Thema Biodiversität und Finanzmarkt wird immer wichtiger. Aus diesem Grund haben die Mitglieder der 'Biodiversity in Good Company' Initiative die Expertin Susanne Bergius vom Handelsblatt Business Briefing Nachhaltige Investments für einen Input und Austausch zu ihrem (virtuellen) Arbeitstreffen, welches Ende April stattfand, eingeladen.

Susanne Bergius hielt einen Vortrag zu „Biodiversität und Finanzen aus Kapitalmarktsicht“. Sie betonte, dass Biodiversität als Lebensgrundlage des Menschen und Grundlage des Wirtschaftens sowohl für Unternehmen als auch für den Finanzmarkt sehr relevant sei. Doch sei dies den meisten Wirtschafts- und Finanzmarktakteuren nicht bewusst.

Sie illustrierte das Problem des rasanten Biodiversitätsverlustes mit Zahlen und Fakten aus dem IPBES-Bericht vom Mai 2019 zum dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt und den Folgen für die Menschheit. Auch darum habe der jüngste Global Risks Report des World Economic Forum im Januar den Artenschwund und den Kollaps von Ökosystemen als zwei der fünf wichtigsten Risiken für die Weltwirtschaft gewertet.

Doch „der Verlust der Biodiversität ist ein unerkanntes Umweltrisiko“, zitierte Bergius aus der Anfang dieses Jahres von PWC und WWF erstellten Studie „Nature is too big to fail. Biodiversity – the next frontier in financial risk management.“ Sie hob die Rolle und Mitverantwortung von Finanzmarktakteuren beim Biodiversitäts-schutz hervor, da sie in Geschäftsmodelle investierten, welche die ökologischen und sozialen Kosten externalisierten.

Die Konsequenzen von Lebensraumzerstörungen seien hoch aktuell und sehr nah wegen des ursächlichen Zusammenhangs der Corona-Pandemie und Zoonosen. Wissenschaftler*innen und Unternehmensberatungen würden schon seit Jahren vor den Folgen des zunehmenden Verlustes von Ökosystemen und Artenvielfalt und dadurch drohenden Pandemien warnen.

Bislang würden Investoren darauf jedoch kaum reagieren, konstatierte Bergius. Zwar orientierten sich viele Akteure in ihrer Berichterstattung an den Sustainable Development Goals (SDGs), die Ziele zu Leben an Land und im Meer (SDGs 14 und 15) würden jedoch bislang zu wenig berücksichtigt, wie 2019 das französische Researchhaus Novethic ermittelt habe. Im Gegenteil: Laut einer Studie der Umweltorganisation Global Witness sind mehr als 300 Banken und Großanleger kräftig an der Finanzierung von Entwaldung beteiligt. Und Global Canopy recherchierte Anfang 2020, dass fast drei Viertel der Finanzinstitute noch keine Vorgaben zur Regenwaldzerstörung hätten.

Das sei bemerkenswert, da Entwaldung ein reales Geschäftsrisiko darstelle und sich Naturschutz ökonomisch auszahle. Hierzu zitierte Frau Bergius u.a. die TEEB-Studie, die den ökonomischen Wert ausgewählter Ökosystemleistungen schon 2008 beziffert habe. „Es ist notwendig, den wirtschaftlichen Wert von Natur zu kennen. Denn noch herrscht die irrige Ansicht: Was nichts kostet, ist nichts wert. Das aber stimmt nicht“, betonte Susanne Bergius. Ökosysteme hätten eine riesige finanzielle Bedeutung: Ihr Wert von 33 Billionen Dollar entspreche einer Schätzung der internationalen Naturschutzorganisation IUCN zufolge der kombinierten Wirtschaftskraft der USA und Chinas. Solche Zahlen verdeutlichten, dass wirksamer Schutz viel weniger koste als die Beseitigung von Schäden – sofern das überhaupt möglich sei. Nur wenn Investoren und Finanzmarktakteure diese Werte kennen würden, würden sie das Thema ernst nehmen.

Anschließend erläuterte Bergius eingehend, wie Geldgeber negative Folgen ihrer Finanzierungen auf Ökosysteme mindern können. Zwar gäbe es bereits einige Fonds, welche Kriterien zur Biodiversität berücksichtigten, allerdings seien dies noch viel zu wenige. Unternehmen könnten Biodiversität bei Entscheidungsfindungen systematisch, strategisch und praktisch angehen, wie die 'Biodiversity in Good Company‘ Initiative und deren Mitgliedsunternehmen zeigten. Jedoch sei bei nur 32 Mitgliedsunternehmen zu fragen: „Wo ist der Rest der Wirtschaft?“.

Wichtig sei es, bei nachhaltigen Fonds und „grünen“ Anlageprodukten darauf zu schauen, welche Kriterien hier angelegt würden und in welche Geschäftsmodelle die Anbieter investieren würden. Anbieter könnten durchaus entscheiden, welche Geschäftsmodelle sie mitfinanzierten und welche nicht.

Zur Frage, ob Financiers die Biodiversität stärken können, konstatierte Bergius, dass Investmentmöglichkeiten zugunsten von Ökosystemen noch selten sind. Denn es sei nicht leicht, Geschäftsmodelle und Anlageprodukte zu entwickeln, bei denen Artenreichtum und die damit verbundene Wertschöpfung selbst eine finanzielle Rendite abwerfen: für ihren Erhalt oder ihre Schaffung gebe es mangels Bepreisung kein Geld. Zudem bestehe – anders als bei CO2-Emissionen – nicht der eine Maßstab für gute Investitionen.

Dennoch existierten solche Anlagemöglichkeiten. Investoren bräuchten hier jedoch einen langen Atem, bevor sich Rendite ergebe, da Ökosysteme Zeit zum Wachsen benötigen. Zudem handele es sich häufig um Direktinvestitionen mit dem Risiko eines Totalausfalls. Entsprechend sei momentan auch Mut für diese Investitionen gefragt. Doch, so unterstrich Bergius: „Ohne mutige Investoren gäbe es gar keine Innovationen. Was woanders geht, muss auch für Artenvielfalt gelten.“ Anhand exemplarischer Beispiele zeigte sie die Bandbreite der Möglichkeiten.

Ein weiterer wichtiger Punkt sei, dass Investitionen in Biodiversität häufig nicht direkt Rendite brächten, sondern indirekt: Biodiversität entstehe als Nebenprodukt von wirtschaftlich interessanter Renaturierung. Erträge kämen aus dem Verkauf von Holz, Früchten, Nüssen, Honig und anderen Naturleistungen. Bei Forstinvestments sei zwischen Wald- und Holzinvestments zu unterscheiden, die unterschiedliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt hätten. Artenreiche Mischwälder seien sehr verschieden von großflächigen Monokulturen.

Einen neuen Weg, Biodiversität aktiv zu fördern, gehen sechs niederländische Finanzinstitute, wie Frau Bergius berichtete. Initiiert von der ASN Bank hätten sie im März die „Partnership Biodiversity Accounting Financials (PBAF)“ gegründet und damit begonnen, ihren Einfluss auf Biodiversität zu messen. Die Gruppe wolle international Finanzakteure zum Mitmachen gewinnen. Die ASN Bank habe sich sogar zum Ziel gesetzt, mit ihren Geldanlagen und Finanzierungen bis 2030 eine positive Wirkung auf die Biodiversität in den Niederlanden und darüber hinaus zu erreichen. Dies Beispiel zeige, so Bergius: „Komplexität ist kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen.“

In der anschließenden Fragerunde
wurde erörtert, wie die Relevanz von Biodiversität mehr in die Breite von Finanzmarkt und Wirtschaft getragen werden könne. Bergius bemängelte, dass der Fokus derzeit sehr auf Klimaschutz und -anpassung liege und nicht beachtet werde, dass die Sicherung der Biodiversität auch dafür unabdingbar ist. Zudem kritisierte Bergius, dass sich Kapitalmarktakteure, die sich aktiv mit Biodiversität beschäftigten, kaum in Deutschland zu finden seien, sondern eher in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden. Es wäre wünschenswert, wenn das Thema auch in Deutschland stärker Beachtung fände.

Abschließend wies Bergius darauf hin, dass inzwischen von drei Initiativen mit Investoren-Mitwirkung internationale Leitlinien und Werkzeuge für Großanleger existieren: zur Naturkapitalbewertung, zum Risikomanagement, zu Praxisbeispielen und Due-Diligence.

 

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